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Menschen stellvertretend für Gesellschafts- gruppen, die am Rand leben, eine Platt- form brauchen, um sich zeigen zu können ’ In meiner Jugend hatte ich selbst oft das Gefühl, nicht gehört zu werden. Gibt es Menschen, denen Du keine Platt- form geben würdest? Ich wähle sehr bewusst aus, wer am Ende eine Bühne geboten bekommt. Jemand, der extremistische Ansichten hat und die in so einem Video dann verbreiten möchte, würde ich natürlich niemals inter- viewen. Aber erst einmal bin ich für alle Themen offen Du hast sogar ein Gespräch mit einem Aussteiger aus der Neonaziszene geführt, obwohl Du bis vor ein paar Jahren noch den Standpunkt vertreten hattest: „Einmal Nazi, immer Nazi.“ Warum? Es war eine große Überwindung für mich Aber in seiner Nachricht an mich beteuerte Philip Schlaffer, dass er auf der Suche nach einer zweiten Chance sei. Ich sprang über meinen Schatten. Im Nachhinein war es die beste Entscheidung, denn die Begegnung mit Philip Schlaffer hat mich aa Sa, als Mensch weitergebracht und ich habe viel über mich gelernt Was genau? Dass ich selbst viele Barrieren und Vorur- teile im Kopf hatte und dass es Menschen gibt, die es wirklich verdient haben, eine zweite Chance zu bekommen. Mittlerweile hat Philipp ein Programm gestartet, mit dem er Tausende aus der rechten Szene rausgeholt hat. Und da ist er nicht der Einzige: Ich hatte auch Kontakt zu einem Ex-Häftling, der nach seiner Haftstrafe einen Präventionsverein gründete. Solche Menschen braucht es, um andere von der schiefen Bahn zu holen und sie wieder in die Mitte der Gesellschaft zu bringen Du hast auch mit einem Vergewalti- gungsopfer und einer Magersüchtigen gesprochen. Was machen diese Gespräche mit Dir? Ich trage deren Geschichten Tage und Wochen, manchmal Monate mit mir herum. Aber ich bin ja nie allein damit. Ich habe das Glück, dass hinter der Kamera sehr viele Menschen stehen, die all das mittragen. Nach den Videodrehs können wir uns austauschen, darüber sprechen Das hilft bei der Verarbeitung ungemein. BUCH-TIPP Leeroy Matata: Zuhören ist die beste Antwort. Fischer Verlage, 256 Seiten, 16 Euro. alverde Januar 2023 Deine Videos dienen in erster Linie der Aufklärung. Ist es aber nicht vor allem die Sensationsgier der Menschen, die Deine Filme so erfolgreich machen? Die einen schalten ein, um ihren Horizont zu erweitern, die anderen schauen, weil sie den Titel eines Videos vielleicht auf- regend finden. Aber letztendlich ist das „Warum“ zweitrangig. Die Tatsache, dass sich jemand plötzlich mit einem Thema beschäftigt, zu dem er vorher Vorurteile hatte, die durch das Schauen vielleicht aus dem Weg geräumt wurden, ist so wichtig. Ich erreiche Menschen, die sonst keine Berührungspunkte mit solchen Themen haben - das ist für mich wichtig. Egal, aus welchem Grund man sich meine Videos anschaut, man kann gar nicht anders, als danach aufgeklärter zu sein. Was Du aus Deinen Begegnungen für Dich mitnehmen konntest, hast Du in Deinem Buch „Zuhören ist die beste Antwort“ zusammengefasst. Du bist ein guter Zuhörer. War das schon immer so? In meiner Jugend war ich gezwungener- maßen oft derjenige, der beobachtend am Rand sein musste. Aber ich mochte es auch schon immer, anderen zuzuhören, zu beobachten, vielleicht auch mal eine gute Frage zu stellen. Mittlerweile weiß ich auch, wie viel ich persönlich daraus ziehen kann, anderen zuzuhören. Auf der anderen Seite kann es dem anderen Menschen enorm helfen, sich einfach mal auszusprechen. In einem Kapitel Deines Buches geht es um die Hürden, die unsere Sprache mit sich bringt. Du schreibst: „Sprache ist bei den 20- bis 30-Jährigen in den letzten Jahren zu einem Schlachtfeld geworden.“ Ich erlebe selbst oft, mit wie viel Unsi- cherheit Menschen mich ansprechen oder über mich sprechen. Bin ich nun schwarz oder braun? Geht oder fährt man mit einem Rollstuhlfahrer spazieren? Was ist denn nun korrekt? Am Ende geht keiner spazieren, weil nicht gefragt werden konnte. Die Ziele, die wir mit einer sen- sibleren Sprache verfolgen, sind richtig,
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